FRANKFURT: Bei meinem letzten Frankfurt-Besuch hab ich mich schwarz geärgert. Darüber, dass ich nicht schon viel früher mal zur „Kleinen Anna“ gegangen bin.
So oft hatte ich mir das vorgenommen. Und so oft hab ich es irgendwie verpennt. Aber – wie der Zufall es manchmal so will, haben wir beim letzten Mal ganz in der Nähe von Anna gewohnt und sind an einem Morgen zu ihr in die Mainzer Landstraße 111 zum Frühstück gegangen. Und wisst ihr was? Es war der Hammer! Nicht nur das Essen – es gibt eine Unmenge an Auswahl und darüber hinaus auch noch mehr, denn Antje, die Inhaberin der kleinen Anna, macht Dir Dein Essen so, wie Du’s gerne hättest. Ist doch völlig Banane, was auf der Karte steht. Hauptsache es schmeckt Dir.
Achso – vielleicht sollte ich mal kurz erklären was es mit diesem Mega-Frühstück auf sich hat: Brot. Punkt. Leckeres, ehrliches Steinofenbrot. Getoastet. Mit Aufstrichen und Belägen wie man es sich im Traum nicht ausmalt. Quasi der Vorläufer des Panini. Nur viiiiiiiiiiiiiiiel besser!
Natürlich macht Antje alle (gefühlte 50) Aufstriche selbst, ist ja klar. Von Aubergine, über Humus bis hin zur Grüne-Soße-Creme findet man alles was was das Herz begehrt. Unsere Favoriten an diesem Morgen: Rührei mit Frankfurter Grüner Soße und Ruccola für meinen Mann, Auberginencreme mit Ruccola und Ziegenkäse für mich (womit wir gleich beim ersten Sonderwunsch wären, da der Feta, der laut Karte vorgesehen war, nicht schwangerenfreundlich war – „wir haben hier nur echten Fetakäse, nicht so einen Fraß, der man im Supermarkt bekommt“ – das ist Antje. Nur für’s Protokoll: zweiter Sonderwunsch waren die Erdbeeren, die so lecker auf dem Tresen rumstanden und eigentlich für was anderes gedacht waren, aber auch das war kein Problem).
Und Antje – das ist ne echte Powerfrau! Diese Wahnsinns-Energie, die sie hat, die merkt man gleich wenn man ihren Laden betritt. Und dabei ist sie noch so herzlich und man hat gleich das Gefühl Willkommen zu sein um sich hinzusetzen und sich satt zu essen. Und ich kann nicht umhin euch Antje vorzustellen – denn sie ist einfach der Knaller! Ich habe selten Menschen erlebt, die so offen mit Dingen umgehen, über die sich normalerweise ausgeschwiegen wird. Aber lest selbst. ich bin ganz verliebt und ihr bestimmt gleich auch!
Antje, wieso heisst denn Dein Laden wie er heißt? Die Atmosphäre ist so persönlich, da erwartet man, dass der Laden nach Dir benannt ist… ist er auch?
Hey hey! Kleine Anna heisst nichts anderes als Antje im Holländischen bedeutet das „tje“ klein also Antje (ich) und Kleine Anna sind einunddasselbe, Kleine Anna hört sich aber schöner an.
Warum machst Du das was Du machst? Und überhaupt, erzähl doch mal ein bisschen über Dich. Ausserdem bis Du Mutter von 5 Kindern – wie schaffst Du denn das alles?
Irgendwas muss ich ja machen! Also woll’n mal seh’n… ich 44 Jahre, 17 Jahre verheiratet gewesen, 4 Kinder bekommen die jetzt im Alter von 22, 21, 18 und 10 Jahren sind. Dann festgestellt das ich so mit diesem Mann nicht weiterleben kann, Scheidung. Ein Kind Drogenabhängig, der 18 Jährige – mit allem was so dazugehört….
In der Zeit hat mir die Anna mit all ihren Menschen sehr viel Halt gegeben. Meine Nachbarin prophezeite mir, das der Zug für mich mit, damals fast 40 und 4 Kindern abgefahren wäre… Na gut, dachte ich ist auch irgendwie o.k., obwohl mir so’n bisschen Sex schon fehlen würde. Naja, traute Zweisamkeit, Essen gehen und so weiter auch. War aber nicht so. Mein Liebster kam eines Tages in die Anna. Ich empfahl ihm die Möhren-Curry-Creme mit Schafskäse und seitdem ist er auch nicht mehr weggegangen.
Dann schwanger geworden mit Zwillingen. Bei der Vorsorgeuntersuchung festgestellt, das ich Gebärmutterhalskrebs habe – sofort OP! Jetzt alles gut! Fruchtwasseruntersuchung- erst ein Mädchen verloren, zwei Wochen später die Zweite. Ganz schlimme Zeit – auch hier hat mir die Anna besser geholfen als jeder Seelsorger oder Therapeut. Naja und jetzt haben wir doch noch ein kleines Mädchen bekommen – Marlene!
Obwohl ich feststelle, daß es eine ganz andere Sache ist ob man mit 20 oder 40 Kinder bekommt. Aber ich werde von einer Afrikanischen Tagesmutter unterstützt. Was Besseres hätte mir und dem Kind nicht passieren können.
Die anderen Kinder Lukas (22) wird nach Mastrich gehen um Kreativtherapeut zu werden, Michel (21) ist Zimmermann geworden, Finn (18) hat jetzt seine dritte Entgiftung hinter sich, war lange in Therapie und ist heute in eine Betreute WG gezogen. Er ist auf einem guten Weg. Theo (10) ist in der 5. Klasse, ist unglaublich aufgeregt und ist der festen Überzeugen, dass ich ihn mit Brokkoli umbringen möchte. Er isst am liebsten Nudeln mit ohne nix.
Also sind alle nicht mehr so klein.
Ich mach eine Sache nach der anderen werde nie fertig und renn immer allem hinterher. Dann sag ich mir immer anderswo ist anders Scheiße – also weiter… Ausserdem kann ich Dinge gut annehmen und akzeptieren, das hilft mir auch.
Wow – bei all dem brauchst Du aber auch mal ne Auszeit, oder? Was macht Dich glücklich und wie kommst Du mal runter bei all dem Trubel?
Ich bin glücklich wenn ich im Garten arbeiten kann, Dinge erschaffen, machen – das find ich gut. Leckeres Essen, am liebsten zusammen mit meinen besten Freunden, macht mich auch glücklich. Auch über ein leckeres Stück Schokolade kann ich mich freuen.
Was ist denn Dein heisser Tipp für alle, die in die kleine Anna kommen? Hast Du einen Lieblings-Aufstrich?
Irgendwie bin ich auf der Möhren Curry Creme hängen geblieben, die Tomatenbutter mit Mozzarella und Chili find ich ganz lecker und die in Balsamico marinierten Zwiebeln find ich auch ganz toll.
Wie oft wechselst Du denn das Programm?
Bist jetzt haben wir eine Creme aus dem Sortiment genommen- die Radicchiocreme obwohl die auch ihre Fans hatte ansonsten haben wir noch dasselbe Programm wie vor 5 Jahren allerdings sind ein paar Cremes dazugekommen.
Wir haben saisonal mal eine Bärlauchcrem oder grüne Soße. Im Herbst gerne auch Feigen mit Schafskäse und rohem Schinken. Tatsächlich müsste ich mal wieder eine Neue machen. Ich häng halt immer hinterher…
Ich kann mir vorstellen, dass es in so einem Laden immer ne Geschichte gibt. Hast Du eine Lieblingsstory?
Eine tolle Geschichte kann ich Dir nicht erzählen, es sind die vielen kleinen Unaufgeregten, die jeden Tag erzählt werden- wie zum Beispiel eine neue Liebe, eine Schwangerschaft, eine doofe Kollegin mit viel zu hohen Schuhen in denen sie nicht laufen kann, Gewichtsprobleme, wo eigentlich keine sind, die Nachbarin, die jeden Morgen ihren Kopf in die Tür steckt und: “Haste Kuchen“ brüllt, Die „Hells Angels“ Mitglieder, die Jasmintee trinken und Vollkornbrot essen oder aber auch ganz viele Andere die von ihrem Wochenende, dem Mann, der Frau oder den Kindern erzählen, die in den Ferien ihre Kinder mitbringen und vorstellen.
Mir war bis zu dem Zeitpunkt nicht bewusst, wie viele Menschen nur in Frankfurt arbeiten aber nicht dort leben. Mir hat mal jemand gesagt, dass man eine Stadt über seine Gastronomie kennenlernt und wir waren ein Zuhause für ihn. Er schreibt uns heute noch Urlaubskarten. Viele verabschieden sich bei uns , wenn sie wieder die Stadt verlassen – sehr schön! Mein Nachbar sagte zu Beginn einmal zu mir: das gibts doch garnicht, ich hab fast 30 Jahre mein Studio hier und kenn niemanden. Du bist gerade mal 3 Monate hier und kennst alle. Jaja, so ist das wohl – ich quatsch halt gerne und bin immer neugierig was die andern so machen.
Boah, Antje – was für ein Leben! Ich danke Dir für Deine Offenheit und freu mich schon jetzt auf meinen nächsten Besuch bei Dir – dann mit Babies!
Fotos: www.kleineanna.de
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Lisha von www.MainBacken.com
Was für ein toller, erfrischender, ehrlicher Beitrag über die Frankfurter Institution „Kleine Anna“. Dass dahinter eine starke Frau steht, konnte man ahnen, aber das ist wirklich eine reiche Geschichte. Umso mehr freue ich mich auf den nächsten Besuch 🙂
christinsiegemund
Oh – dann grueß bitte ganz lieb!!!